Seit wann hoffen Rechte auf die USA?
Eigentlich ist die Neue Rechte durch und durch anti-amerikanisch. Aber den Sirenengesängen der neuen Trump-Regierung können auch sie anscheinend nicht widerstehen.
Es gab einmal eine Zeit, da gehörte es für deutsche Rechte zum guten Ton, gegen die USA zu sein. Für viele von ihnen waren die Vereinigten Staaten einer der Hauptgegner; es war ein Imperium, das das eigentlich Deutsche mit seiner Re-Education unterdrückt habe, die Liberalisierung der Welt vorantreibe und die naturwüchsige Identität der Völker weltweit mit seinen militärischen und ökonomischen Interventionen untergrabe.
Armin Mohler, der wichtigste rechte Vordenker der BRD, wetterte in seinem Essay Liberalenbeschimpfung noch 1990 gegen den „weinerlich-betulichen Gärtner- und Demutskonservatismus“, den sich die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs seit 1945 hierzulande hielten. Mohlers Hoffnung lag hingegen auf einer Neuen Rechten: Endlich, schrieb er damals, gebe es in Deutschland wieder eine Generation junger Rechter, die nicht der „Gehirnwäsche“ der Amerikaner unterworfen wurde. Die neuen Rechtsradikalen sollten sich damit gleich in zwei Richtungen abgrenzen: einerseits gegen die altrechten NS-Verherrlicher, andererseits aber gegen die konservativen Transatlantiker. Jahrelang war das die Leitschnur dieser Neuen Rechten.
Die US-Administration möchte den rechten Widerstand kultivieren
Doch so klar ist das inzwischen nicht mehr. Ein Teil der Rechten suspendiert seinen Anti-Amerikanismus zurzeit, vor allem weil sich die amerikanische Regierung offensiv und positiv auf die deutsche Rechte bezieht. Sehen kann man das zum Beispiel in der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie der USA, die am Freitag öffentlich wurde und die sich online einsehen lässt. Die zweieinhalb Seiten, auf denen es um Europa geht, klingen fast eins zu eins wie die Thesen, die sich seit Jahren in Reden und Texten der europäischen radikalen Rechten finden lassen. Der „ökonomische Niedergang“, heißt es dort, „wird noch übertroffen von der realen und gravierenden Aussicht auf die zivilisatorische Auslöschung“. Die Gründe seien zu wenig nationale Souveränität, eine falsche Migrationspolitik, Einschränkungen der Meinungsfreiheit, schließlich auch „der Verlust der nationalen Identität und des nationalen Selbstbewusstseins“. Es ist kein Wunder, dass die Rechte sich offen für ein Bündnis zeigt, denn genau das predigen sie selbst ja seit Jahren. Und die USA versprechen explizit, „den Widerstand gegen diesen Kurs innerhalb der einzelnen Nationen zu kultivieren“.
Diese Rechtsverschiebung der USA wirkt sich inzwischen auch auf die AfD aus. Vor Trumps zweiter Wahlkampagne war der transatlantische Flügel in Partei und Vorfeld nur einer von mehreren Strömungen, daneben gab es einen offen russlandfreundlichen Flügel genau wie einen eher eurofaschistischen. Doch zunehmend geben jene den Ton an, die sich klar an den USA orientieren. Und immer mehr von ihnen reisen in die USA um sich noch enger mit der mächtigsten Regierung der Welt zu koordinieren. Erst im September trafen sich etwa Beatrix von Storch und der AfD-Landespolitiker Joachim Paul mit Regierungsvertretern in den USA. Und Anfang dieser Woche sollen unter anderem Markus Frohnmaier, Teil des Vorstands der Bundestagsfraktion, und Kay Gottschalk, der stellvertretende Bundessprecher der Partei, nach Washington geflogen sein.
Wie deutsche Rechte die USA um Hilfe bitten
Der Ton gegenüber der US-Regierung ist dabei alles andere als das, was die rechten Säulenheiligen von ihren geistigen Erben erwartet hätten. Auch als Ernst Jünger 1958 in die USA reiste, bestätigte das laut seinem Biograf Heimo Schwilk „einmal mehr seine Sicht, dass die USA als Supermacht für Massendemokratie, enthemmten Kapitalismus und schrankenlosen Liberalismus stehen“. In der AfD gibt es offenbar zunehmend Politiker, die all das gar nicht so schlecht finden und mittlerweile offensiv, teils geradezu unterwürfig, um Unterstützung aus Washington. So bat AfD-Politiker Joachim Paul in einem Video direkt J.D. Vance, Marco Rubio und Elon Musk um Unterstützung, damit er bei der Bürgermeisterwahl in Ludwigshafen antreten darf. „This is a case of international interest. Please help us”, so Paul in dem Video.
Seit der Rede von JD Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz setzt die Partei offen darauf, dass die US-Regierung unter dem Vorwand, Meinungsfreiheit und Pluralität schützen zu wollen, Druck auf die Regierung in Berlin ausübt, um die AfD politisch zu normalisieren. Dass die USA derweil bei jedem Touristen die Social-Media-Profile auf Trump-Kritik durchsuchen und kein Visum ausstellen, wenn die dort veröffentlichten Meinungen ihnen nicht gefallen – das fällt für die AfD anscheinend nicht unter Einschränkung der Meinungsfreiheit.
Worum es den USA eigentlich geht
Wichtiger aber noch: Keiner der AfD-Politiker scheint das neue Sicherheitsdokument in Gänze gelesen zu haben. Wer das tut, merkt schnell, wie heikel ein solcher Deal mit den USA aus Sicht europäischer Rechter sein muss. Denn worum es den USA eigentlich geht, ist, dass Europa stark genug ist, die USA in seinen Kämpfen gegen Russland und China zu unterstützen. „Wir brauchen ein starkes Europa“, heißt es auf Seite 26, „das uns hilft, im Wettbewerb mit anderen Gegnern erfolgreich zu bestehen, und das mit uns zusammenarbeitet, um zu verhindern, dass Europa dominiert wird“. Damit Europa dazu in der Lage ist, wollen die USA es unterstützen – durch „Handelsbeziehungen, Waffenverkäufe, politische Zusammenarbeit sowie kulturellen Austausch“.
Auch wenn sich das politische Personal, das nun die Stoßrichtung dieses Austauschs vorgibt, gewandelt hat, bleibt das Verhältnis, das die USA zu den europäischen Staaten haben, also gleich. Für die Rechte macht das die Wette, die sie gerade eingeht, deshalb durchaus heikel: Selbst wenn sie nämlich durch ihr Bündnis mit der US-amerikanischen Regierung tatsächlich gestärkt wird, wäre das ein teuer erkaufter Erfolg. Denn souveräner wird das Land, das sie eigentlich wieder groß machen wollen, dadurch mit Sicherheit nicht.



